Fahrerlose Transportsysteme (FTS) sind prädestiniert dafür, Materialbewegungen innerhalb der Produktion flexibel zu automatisieren. Doch worauf muss bei einer FTS-Planung geachtet werden? Wie müssen beispielsweise Lastübergabestationen für ein fahrerloses Transportsystem in der Möbelindustrie kapazitätserhaltend ausgebildet werden? Schuler Consulting überarbeitete hierfür das komplette heutige Fertigungskonzept der Kitzberger Möbel GmbH.
Im nördlichen Oberösterreich gelegen, hat sich das Familienunternehmen Kitzberger auf den Objektbau spezialisiert. Mit über 50 Jahren Erfahrung liegt der Hauptfokus der Österreicher auf Großprojekten im Bereich Inneneinrichtungen von Studenten- und Altenwohnheimen. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden hat das Unternehmen nach flexiblen, vollautomatischen Lösungen gesucht und wurde daher auf der Holz-Handwerk 2018 auf die autonome Zelle von Homag und somit das Thema fahrerlose Transportsysteme aufmerksam. Nach intensivem Austausch stand somit schnell fest, dass in der bereits angedachten Produktions-Umstrukturierung auch die Intralogistik mit neuer, innovativer Technologie ausgestattet werden sollte.
Zusammen mit Schuler beriet man über die genaue Zielsetzung. Nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels war es Kitzberger wichtig, den Automationsgrad zu erhöhen und die Produktion zu einer Smart Factory umzugestalten. Der Materialfluss sollte nach der vollautomatischen Roboter-Zuschnittsäge bereits mit fahrerlosen Transportsystemen realisiert werden und auch alle nachfolgenden Produktionsprozesse abdecken. Von der vollautomatischen Beschickung und Abstapelung an den Maschinen bis hin zu einer teilautomatisierten Montagelinie mit Korpus-Durchlaufpresse. Das hochinnovative Projekt war „geboren“ und nicht in wenigen Belangen werden die Erfahrungen der Firma Kitzberger einen wesentlichen Impuls für die Anwendung der FTS-Technologie in der Branche haben.
Die derzeit einzige branchenspezifische Lösung für fahrerlose Transportsysteme auf dem Markt wurde durch die HOMAG inklusive einer angebundenen Stapelplatzverwaltung angeboten, wodurch ein Entscheidungsprozess, wie er normalerweise bei etablierten Technologiekonzepten üblich ist, entfiel. Für die Generierung von Transportaufträgen ist, wie aktuell bei allen modernen fahrerlosen Transportsystemen, ebenso wie bei einer automatisierten Fertigung ein digitales Untergerüst in Form eines MES notwendig. Da ein solches System bei der Firma Kitzberger noch nicht im Einsatz war, wurden die erforderlichen Funktionen durch Schuler Consulting erarbeitet, so dass eine optimale Systemauswahl und nachfolgende Konfiguration erfolgen konnte. Häufig kommt es dabei im Projekt aufgrund unzureichender Prozesskenntnis und Datenqualität zu zusätzlichen Klärungsbedarfen. Da die Firme Kitzberger das bestehende ERP und CAD/CAM System sehr gut konfiguriert hat und einsetzt, war dies hier kein Thema war.
Auch bei der Wahl der Ladungsträger ist die derzeitige Auswahl in der Branche noch relativ begrenzt. Im Grunde kamen der 11er-Stapel für gleiche Werkstücke, der chaotische Stapel für unterschiedliche Teile, jeweils auf Paletten, sowie Kommissionierwagen für Teile mit unterschiedlichen Fertigungswegen in Frage. Da es sich beim TRANSBOT um ein unterfahrendes Fahrzeug handelt, werden die Paletten auf Metallgestellen, sogenannten Trays, gelagert, während Kommissionierwagen ausreichend Bodenfreiheit erhalten. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften der Ladungsträger und Stapelarten entschied man sich, A-Teile im 11er-Stapel, C-Teile hingegen von der Säge zur Kantenanleimmaschine im chaotischen Stapel, zu transportieren. Durch den in die Robotersäge integrierten Stapelalgorithmus ist die Erstellung transportstabiler Stapel gänzlich ohne eventuelle Füllteile möglich. Eine Analyse der Fertigungswege zeigte, dass C-Teile nach der Bekantung unterschiedliche weitere Bearbeitungen erhalten und somit der weitere Transportweg idealerweise in Kommissionierwagen erfolgt. So können Werkstücke zusammengehalten und dennoch per Einzelzugriff entnommen und individuell bearbeitet werden.
Ein wesentlicher Punkt in der Organisation der fahrerlosen Transportsysteme-Logistik ist die Losbildung, da diese in den wenigsten Fällen mit den zuvor gewählten Stapelsystemen kompatibel sind. Bei Kitzberger wurden zur neuen Losbildung verschiedene Schnittoptimierungskonzepte erstellt und simuliert, so dass nach einigen Durchläufen die Lose so gebildet werden konnten, dass die Stapel nicht zu groß wurden. Außerdem wurde durch das effiziente Schnittergebnis sichergestellt, dass die bestehenden Abstapelplätze nach wie vor ausreichten.
Die Plätze bedingten eine weitere Lösungsfindung bei der Lastübergabe an der Robotersäge. Die Situation war folgende: Der auf der Säge montierte Roboter übernimmt sowohl das Material-Handling für den Zuschnitt als auch das Abstapeln auf die vorhandenen Plätze. Eine Hubvorrichtung der Abstapelplätze stellt dabei sicher, dass der Roboter die Werkstücke immer auf der gleichen Höhe ablegen kann. Da ein TRANSBOT aufgrund seines Fahrwerks nicht auf diese Hubvorrichtung fahren kann, galt es daher eine alternative Lösung zu finden. Schlussendlich erwies sich die Variante eines systemkompatiblen Gabelhub-TRANSBOTS als die beste Wahl. Dieses befindet sich ausschließlich in der Zuschnitt-Zelle und befördert die fertigen Stapel inklusive Palette zu einer randständigen Übergabestation.
Nachdem alle Maschinen sowie Lastübergabestationen festgelegt und im Layout angeordnet waren, galt es das Fahrwegenetz auszulegen. Die Bemessung erfolgte nach DIN sowie VDI-Vorgaben. Hiernach bemessen sich die Wege der fahrerlosen Transportsysteme immer nach dem größten zu transportierenden Werkstück plus entsprechenden Randaufschlag von 50 cm. Durch den ebenfalls zu berücksichtigenden Platz bei Drehbewegungen mussten die Wege geschickt angeordnet werden, um nicht zu viel Platz für die Logistik aufwenden zu müssen. Gleichermaßen waren Ausweichstrecken sowie über die Produktion in ausreichender Anzahl verteilte Fahrzeug-Ladestationen zu berücksichtigen. Nachdem anschließend die benötigten Pufferplätze zwischen den Maschinen berechnet und im Layout angeordnet wurden, war die Konzeptionierung des fahrerlose Transportsystems für Kitzberger abgeschlossen.
Wie schon erwähnt, kann die nun geplante, umfassend automatisierte Fertigung nur funktionieren, wenn ein entsprechend innovatives Fertigungsleitsystem diese mit den richtigen Daten zur richtigen Zeit versorgt. Ein wesentlicher Vorteil des gewählten fahrerlosen Transportsystems TRANSBOT ist die integrierte Stapelplatzverwaltung woodStack.
Durch die Anbindung an das MES ist somit künftig eine exakte Teileverfolgung während der Fertigung möglich. Suchzeiten können damit auf ein absolutes Minimum reduziert werden.
Die aktuelle Umsetzung des Konzeptes ist dabei in drei Teilschritte unterteilt. Derzeit wird die gesamte Produktion für das neue Logistikkonzept nach und nach umgestellt sowie die Infrastruktur der fahrerlosen Transportsysteme installiert. Nachfolgend werden dann unter anderem in einzelnen Bereichen erste Testfahrten mit den fahrerlosen Fahrzeugen vorgenommen und Karten zur Orientierung der Fahrzeuge aufgezeichnet. So kann das FTS in der dritten Phase dann problemlos den Betrieb in der ganzen Fertigung aufnehmen.
Die Kitzberger Möbel GmbH und Schuler Consulting haben innerhalb kürzester Zeit die Technologie für fahrerlose Transportsysteme für die Branche aus der Wiege gehoben und das Unternehmen ist auf dem besten Weg diese innerhalb der nächsten Monate vollumfänglich in der gesamten Produktion einzusetzen. Nur durch die Fokussierung auf dieses Ziel und die klaren Vorstellungen des Unternehmens Kitzberger hinsichtlich ihrer eigenen Smart Factory konnte eine solch breite sowie detaillierte Aufgabe gestemmt werden. Damit ist das Unternehmen aus Österreich absoluter Vorreiter und kann selbstbewusst und zuversichtlich in die Zukunft blicken, wenn es darum geht, effizient und mit modernster Technik, Objekteinrichtungen zu fertigen.