Ein Artikel des bauelemente-baumagazins, 10/2017
Die Schweizer Muster Fenster AG in Flamatt südlich von Bern war unter den ersten Holzfenster-Herstellern, die in einen powerProfiler der 3. Generation Typ BMB 925 von Homag investiert haben. Mit dem CNC-Bearbeitungszentrum wurde eine über 30 Jahre alte Anlage abgelöst. Die damit gewonnene Flexibilität wird von Muster konsequent genutzt. Mit der neuen Maschine wurde die Schlitz/Zapfen-Verbindung durch eine Konstruktion mit angefrästem Zapfen beziehungsweise Konter-Dübel-Verbindung bei Schrägfenstern bzw. bei Kämpfern und Pfosten abgelöst. Auch für die Rekonstruktion historischer Fenster oder die Ausführung der neu entwickelten Eckverbindung für Hebe-Schiebe-Türen und vieles andere mehr wird die Flexibilität des powerProfiler genutzt.
Die Muster Fenster AG gehört zusammen mit sieben weiteren unabhängigen Schweizer Fenster- und Fassadenhersteller, die in verschiedenen Regionen des Landes beheimatet sind, zur Entwicklungsgruppe „Vision-3000®. Eines der gemeinsamen Projekte ist das bereits 2003 entwickelte Holz/Alu-Fenstersystem Vision-3000. Gemeinsam mit drei weiteren Unternehmen aus der Gruppe war Muster Fenster im letzten Jahr auf der Suche nach einer neuen Fertigungsanlage, die den aktuellen Anforderungen gerecht wird. „Wir wollten eine Lösung, die uns größtmögliche Flexibilität verschafft, dennoch über genügend Leistung beziehungsweise Kapazität verfügt und nicht zuletzt nicht allzu viel Platz benötigt, so dass sie in den bestehenden Produktionshallen integriert werden kann. Sprich gesucht war die berühmte eierlegende Wollmilchsau“, berichtet Florian Krebs, Projekt- und Produktionsleitung bei Muster Fenster.
Auf dem Hintergrund dieser Anforderungen haben die Mitglieder der Gruppe das Angebot der einschlägigen Anbieter geprüft und schließlich Homag beziehungsweise dem neuen powerProfiler den Zuschlag erteilt.
Weg frei für neue Fenstersysteme
Die neue Greif- und Spanntechnik eröffnet neue Möglichkeiten in der Profilgestaltung. So ist es möglich, die Bauteile in alle drei Richtungen frei in den Spannzangen ein- und umzuspannen. Die Spanner können zueinander verstellt und bei Bedarf (z.B. Olivenbohrungen) weggeschwenkt werden. Die Teile können beim Umspannen auch im Falz gespannt werden: Das ermöglicht eine volle, freie sechsseitige Bearbeitung für schlanke Profile. Damit trägt Homag der Tatsache Rechnung, dass Integralfenster, sprich Konstruktionen mit verdecktem Flügel immer stärker nachgefragt werden. Ausgeführt werden können zudem alle derzeit gängigen Eckverbindungen und das auch in Kombination.
Universell einsetzbar
Durch mögliche Teilelängen bis 4.200 mm im Standardablauf und bis 6.000 mm mit Einzelzufuhr, Teiledicken bis 150 mm und Breiten bis 300 mm kann der powerProfiler sehr flexibel eingesetzt werden. So können auch Konstruktionselemente für Wintergärten und Fassaden komplett bearbeitet werden. Mit dem optionalen Konsolentisch können neben Bogenteilen und Rundfenstern auch Türen und Ergänzungselemente komplett bearbeitet werden. „Diese Ausstattung ist bei Schweizer Fensterbauern Standard“, berichtet Thorsten Linke, der für Muster Fenster verantwortliche Key Account bei Homag
Bis zu 50 Fenstereinheiten pro Schicht
Das Maschinenkonzept basiert auf einer massiven Portalbrücke, dem Balkentisch mit ein oder wie bei Muster Fenster zwei unabhängig verfahrbaren Spanner-Reihen und der Greifeinheit zum Beschicken, Umspannen und Entnehmen der Bauteile. Durch individuelle Konfiguration der Frässpindeln, Bearbeitungseinheiten, Werkzeugwechselsysteme und Tische können sich auch vier Teile gleichzeitig in der Maschine befinden und an beiden Tischen parallel bearbeitet werden. Damit wird eine Skalierbarkeit der Leistung von 15 bis 50 Fenstereinheiten je Schicht erreicht.
Die Maschine bei Muster ist mit 3 Spindeln sowie einem zusätzlichen Bohrkopf ausgestattet. Möglich ist es noch eine weitere Spindel einzusetzen. „Wir könnten für neue Produkte, wenn nötig, auch einen 5-Achs-Kopf für größtmögliche Flexibilität nachrüsten“, erläutert Krebs.
Mit dem Teilespeicher im Ein- und Auslauftisch ist ein autonomer Betrieb von bis zu zwei Stunden möglich. Damit können auch die Pausenzeiten für die Produktion genutzt werden, kann sich der Mitarbeiter parallel anderen Tätigkeiten widmen. Auf den zusätzlichen Einsatz eines von HOMAG optional angebotenen Hordenwagen-Beschicksystems hat das Unternehmen hingegen aus Platzgründen verzichtet.
Neues Werkzeugspeichersystem
Das mit der neuen Maschine entwickelte Werkzeugspeichersystem trägt maßgeblich dazu bei, dass die in Aussicht gestellten Kapazitäten auch tatsächlich erreicht werden können. Großzügige Abstände der Aufnahmen am neuen ToolTower Werkzeugspeicher ermöglichen die lückenlose Bestückung des Speichers, auch mit großen Werkzeugen in Doppelsatzlänge. Bis zu vier Teller übereinander bieten insgesamt 72 Werkzeugplätze. Für kurze Nebenzeiten und schnellen Werkzeugwechsel sorgt der Schwenkarm: Schon während der laufenden Bearbeitung wird das als nächstes benötigte Werkzeug vorbereitet und steht in Wartestellung in bereit, so dass nur eine kurze Schwenkbewegung für den Werkzeugwechsel erforderlich ist.
Die Maschine bei Muster Fenster verfügt über insgesamt 149 Werkzeugplätze, verteilt über drei Werkzeugspeicher sowie fünf Zusatzwerkzeuge für das Flex 5 Aggregat. Davon sind aktuell 120 Plätze mit Werkzeugen von Örtli belegt. Damit befinden sich alle für die Fertigung der gesamten Produktpalette benötigten Werkzeuge im unmittelbaren Zugriff. Zudem ist noch Platz für weitere Werkzeuge, die für das neue Holz/Alu Fenstersystem benötigt werden, das sich aktuell in der Entwicklung befindet.
„Der Wechsel auf ein anderes Fenstersystem hat uns mit dem Umbau der Werkzeuge und der Neubestückung der Maschinen bei unserer alten Anlage Stunden, wenn nicht Tage beschäftigt. Heute fällt ein Systemwechsel zeitlich nicht mehr ins Gewicht“, macht Krebs deutlich.
Fensterbauer in der Rolle des Generalunternehmers
Das von Hans Muster 1951 gegründete Unternehmen wird heute von seinen Söhnen Hans und Robert geführt. Mit 17 Mitarbeitern werden jährlich circa 2.500 Fenster sowie Hebe-Schiebe-Türen und andere Sonderelemente, Haustüren und Klappläden produziert. „Wir sehen uns als Schreinerei und nicht als Fensterfabrik, beschäftigen daher keine angelernte Kräfte, sondern ausschließlich ausgebildete Schreiner“, macht Krebs deutlich.
Mit über 80 Prozent ist der Anteil von Holz/Alu-Konstruktionen außergewöhnlich hoch. Zum Portfolio gehören neben zertifizierten Brandschutz-Fenstern aus Eiche auch Denkmalschutz--Lösungen mit Einfachverglasungen, Elemente mit Flügeln im Flügel und Konstruktionen außerhalb des Systems. „Dabei handelt es sich um echte Handwerksarbeit. Solche Aufträge sind daher die perfekten Ausbildungsarbeiten“, erläutert der Betriebsleiter.
Das Unternehmen ist schwerpunktmäßig in der Renovation tätig. Geliefert werden einzelne Fenster, es werden die Einfamilienhäuser von Privatleuten ausgestattet, aber auch große Objekte mit mehreren Mehrfamilienhäusern realisiert. Seinen Kunden bietet das Unternehmen nicht nur Fenster sondern in der Rolle des Generalunternehmers eine Komplettleistung unter Einschluss weiterer Gewerke. Hierzu wird mit Partnerbetrieben zusammen gearbeitet. Das Vertriebsgebiet des regionalen Anbieters erstreckt sich im Umkreis von 30 bis 40 km im den Standort, sprich im Raum Bern und Freiburg.
„Ein guter Service ist in der Schweiz sehr wichtig. Damit bietet sich kleineren Anbietern die Möglichkeit, sich von den Massenanbietern abzuheben. Diese sind überwiegend im regionalen Geschäft tätig. Umso wichtiger ist hier die Mund zu Mund Propaganda“, erläutert Linke.
Leistungsreserven inklusive
Mit der Suche nach der richtigen Eckverbindung hat sich Krebs im Rahmen seiner Diplomarbeit beschäftigt, um gemeinsam mit den Firmeninhabern Hans und Robert Muster unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten wie Wirtschaftlichkeit, Stabilität und Genauigkeit die Entscheidung für die Zapfenverbindung zu treffen. Diese kommt bei rechtwinkligen Fenstern und Türen im Flügel- und im Blendrahmen zum Einsatz. Bei Schrägfenstern sowie bei Kämpfern und Pfosten, die auf Wechselfälze stoßen, setzt das Unternehmen die Konter-Dübel-Verbindung ein.
„Mit der Zapfenverbindung haben wir ganz bewusst einen gewissen Zeitverlust bei der Bearbeitung in Kauf genommen. Denn die Maschine kann mehr leisten, als wir aktuell brauchen. Sollten wir irgendwann mehr Leistung benötigen, dann können wir mit dem Wechsel zur Konter-Dübel-Verbindung, die mit kleinem Aufwand möglich ist, die Leistung um 30 Prozent steigern“, erklärt Krebs.
Mit der Maschine werden aktuell die drei Hauptsysteme, die sich mit den Untersystemen in verschiedenen Holzdicken und Dichtungsausführungen auf insgesamt 15 Systeme summieren, gefertigt. „Mit dem powerProfiler haben wir eine hochflexible Maschine, die nahezu alles kann. Deshalb war es uns ein Anliegen, so viel wie möglich von unserer Arbeit auf die Maschine zu verlagern“, erläutert Krebs.
Mit dem Auftrag gewachsen
Wie schon erwähnt war der PowerProfiler von Muster Fenster einer der Ersten der neuen Generation, die ausgeliefert wurden. Von der Beauftragung bis zur Auslieferung und auch noch danach wurde das Konzept den Wünschen von Muster Fenster angepasst. So wurden die Werkzeugspeicher umgruppiert, die Software und die Verstellbarkeit der y-Achse der Frässpindeln geändert. Noch im Aufbau wurde eine Videosystem mit insgesamt acht Kameras nachgerüstet. Dieses dient zum einen der Sicherheit, zum anderen liefert es Informationen für die Optimierung der Produktionsabläufe und erleichtert das Nachvollziehen von auftretenden Fehlern. „Mit dem bloßen Auge ist die Vielfalt der parallel ablaufenden Prozesse nicht zu überwachen“, erklärt Krebs die Gründe für die Zusatzinvestition.
Zufriedene Projektpartner
Im Januar 2017 wurde die Anlage in Betrieb genommen, im März die ersten Kundenaufträge produziert. „Dass eine so hochkomplexe Anlage wie der PowerProfiler auch seine Kinderkrankheiten hat, war uns bei der Auftragserteilung klar. Das ist normal. Dennoch haben wir uns aufs Glatteis gewagt. Heute sind wir unserer Entscheidung mehr als zufrieden, um nicht zu sagen glücklich, dass wie die Maschine haben“, resümiert Krebs.
„Projekte wie bei Muster Fenster stehen und fallen mit der Kompetenz auf beiden Seiten was die Maschine und die Programmierung angeht. Mit Florian Krebs hatten wir dabei den Partner, den man sich nur wünschen kann“, berichtet Linke.
Fotos: bauelemente-bau