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Materio Firmengebäude

Der Charme des seriellen Bauens

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01.07.2022   |   Soest   |   Deutschland

  • Der Geschäftsführer der Materio GmbH, Rolf Schottmüller.
  • Quartierentwicklung- und bebauung in Lippstadt, hier realisiert die Materio GmbH 16 Einfamilienhäuser und ein Doppelhaus.
  • Das von der Materio GmbH entwickelte Quartier von oben.
  • Das Unternehmen fertigt bevorzugt Gebäude mit Holzfassaden.
  • Die Produktionshalle der Materio GmbH mit der automatisierten Fertigungslinie.
  • Die WALLTEQ M-120 in der Produktionshalle der Materio GmbH.
  • Die WALLTEQ M-120 steigert nicht nur die Kapazität der Produktion bei der Materio GmbH, sondern auch die Präzision mit der gearbeitet wird.

Dies auch im Baugebiet „Auf dem Rode“, wo sie 18 Einfamilienhäuser in standardisierter Bauweise errichtet hat. Dabei nutzte sie die Vorteile des seriellen Bauens und einer automatisierten Fertigung. Einer der zentralen Einflussfaktoren für den Holzbau ist derzeit die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Denn angesichts einer exorbitant guten Auftragslage ist es vor allem der Fachkräftemangel, der die Spielräume von Holzbauunternehmen limitiert. Einer der ersten Schritte, um die Auswirkungen des Fachkräftemangels zu dämpfen, ist eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung der Unternehmen. Auch dieser stößt allerdings an Grenzen, wo es an Bauleitern oder Montagekräften auf der Baustelle mangelt. Eine Situation, in der die Fantasie und Kreativität der Unternehmensführungen gefragt ist. 

Seriell mit ökologischen Materialien

Einer, der eine Antwort auf die drängende Personalfrage gefunden hat, ist Rolf Schottmüller, Geschäftsführer der Materio GmbH im nordrhein-westfälischen Soest. Seit den 90er Jahren im Holzbau aktiv, hat der gebürtige Schwarzwälder das Unternehmen 2014 mit Geschäftspartner Johannes Berger gegründet. In den folgenden Jahren hat er sich mehr und mehr auf Großprojekte spezialisiert: „Wir waren auch schon im Einfamilienhausbereich tätig, haben aber heute weder die Bauleiter noch die Berater, um diese Klientel so intensiv zu betreuen, wie wir es möchten und wie es ihr auch zusteht.“ Einer der Gründe, weshalb das Unternehmen mit seinen 40 Mitarbeitern heute den Schwerpunkt zunehmend auf Gebäude legt. Dies bevorzugt als Generalunternehmer und Investor im gewerblichen und kommunalen Bereich: „Wenn wir schon die Projektentwicklung in eigener Hand haben, können wir unsere Schlagkraft immens erhöhen“, erläutert Rolf Schottmüller. „Dann können wir seriell bauen und zum Festpreis in einem engen Zeitfenster liefern – mit Kostenvorteilen durch Synergieeffekte, bewährten Subunternehmern und einem ausgereiften System aus ökologischen Baumaterialien, bei dem alle Details bereits geprüft sind.“ Der Fokus liegt dabei auf KITAs oder Bürogebäuden, derzeit zeichnet sich als künftiges Geschäftsfeld der Bau von Wohnanlagen und Mehrfamilienhäusern ab. 

Wettbewerb für Architekten & Investoren

Auch wenn sich das Unternehmen aus dem Einfamilienhausbereich mehr und mehr zurückzieht, ist es weiterhin in der Quartierentwicklung und -bebauung aktiv. Auch hier werden Einfamilienhäuser gebaut, allerdings nach einem völlig anderen Geschäftsmodell. Derzeit realisiert die Materio GmbH zum Beispiel 16 Einfamilienhäuser und ein Doppelhaus im Baugebiet „Auf dem Rode“ in Lippstadt. Dabei handelt es sich um ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Areal, dass die Stadt 2017 in Bauland umgewandelt hat, um der Wohnungsknappheit in der industriell gut erschlossenen Region entgegenzuwirken. Für einen kleinen Bereich dieses Areals lobte die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Lippstadt 2020 einen Architekten- und Investorenwettbewerb aus, an dem sich die Materio GmbH zusammen mit ihrem Kooperationspartner Rinsdorf Ströcker Architekten (RSA) beteiligte. Ziel des Wettbewerbs war es, diese Teilfläche des Bebauungsplans durch regionale Unternehmen mit flächen- und energiesparenden Gebäuden zu bebauen. Zu den Zielvorgaben gehörten außerdem die Konzeption nachhaltiger, kostengünstiger und flexibler Gebäude mit hoher Wohnqualität, attraktivem Erscheinungsbild und Freibereichen auf den Grundstücken. 

Intelligentes und flexibles Wohnkonzept

Rinsdorf Ströcker Architekten lösten diese Aufgaben mit einem Quartierkonzept, das die Möglichkeit einer Grenzbebauung weitgehend ausschöpft und die Wohneinheiten an den Rand des Grundstücks rückt. Der Straßenraum in der Mitte wird als Gemeinschafts- und Begegnungsfläche genutzt. Obwohl die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Außenraum bei diesem Konzept bewusst verwischt wurde, um das Gemeinschaftsleben im Quartier zu stärken, verfügt jedes der in der Bauhaus-Tradition stehenden Häuser über einen privaten Freisitz. Letzterer entsteht dank einer spielerischen Verschiebung der Baukörperebenen auf der Hausrückseite. Je nach Variante ist er mal als überdachte Terrasse, mal als Balkon im Obergeschoss ausgebildet. Der Baukörperversatz führt auch zu einer Belebung der Fassadensituation im Quartier, weil die Häuser in Richtung Straße abwechselnd eine Terrasse unterm auskragenden Obergeschoss oder einen Rücksprung der oberen Ebene mit Balkon präsentieren. Erhöht wird die Attraktivität des architektonischen Erscheinungsbilds durch große Glasflächen und einen Fassadenmix aus dunkelgrauer Holzleistenschalung (OG) und weißem Putz (EG). Energetisch erreichen die Holzrahmenkonstruktionen dank einer gut gedämmten Außenhülle und einer Heizung mit Erdwärmepumpen den KfW 40-Standard, den Bewohnern wird als Option die Nachrüstung einer PV-Anlage angeboten. Dass die Erdwärmepumpe im Sommer zur Kühlung genutzt werden kann, erfüllt eine weitere Vorgabe des Wettbewerbs und ermöglicht eine individuelle Temperierung der Häuser auch in der heißen Jahreszeit.

Standardisiert in hoher Qualität 

Dass RSA und Materio den Wettbewerb gewannen, verdanken sie nicht nur den überzeugenden Ideen des Architekturbüros, sondern auch der nachhaltigen Holzrahmenbauweise des Holzbau-Unternehmens. Holzfenster, eine Zellulosedämmung und wohngesunde Materialien beim Innenausbau gehören bei der Materio GmbH zum Standard. In Lippstadt kamen 435 mm starke Holzrahmenwände mit 260 cm Zellulose und 60 mm Holzfaserplatte, massive Brettstapeldecken und 280 mm Dachelemente plus Gefälledämmung zum Einsatz. Unter dem Strich eine hochwertige Bauweise, bei der nicht an der Wohnqualität oder der ökolo-gischen Ausrichtung gespart wurde. Neben der Bauweise überzeugte auch das flexible Wohnkonzept: Jedes Haus kann durch Abtrennung des Treppenhauses in zwei übereinander liegende Wohneinheiten aufgeteilt werden, etwa in einem Alterssitz im Erdgeschoss und eine Betreuerwohnung im Obergeschoss. Weitere Individualisierungsmöglichkeiten beschränken sich auf die Option, das offene Wohnensemble im Erdgeschoss durch Zwischenwände zu unterteilen. Die zentralen Wände von WC, Technikraum und Treppe dienen wie die Außenhülle dem Abtrag vertikaler Lasten, können also nicht geändert werden. Die Wohnhäuser wurden als standardisierte Entwürfe konzipiert und inklusive Grundstück an die künftigen Bewohner verkauft, wobei die Materio GmbH innerhalb der Kooperation als Investor und Bauträger fungierte. Das Gros der Häuser war nach der ersten Pressemeldung in kürzester Zeit verkauft, in der ersten Woche gab es bereits doppelt so viele Anfragen wie Häuser. Rolf Schottmüller sieht in diesem Geschäftsmodell „einen Riesenvorteil. Wenn wir Einfamilienhäuser bauen, dann so. Wir konnten dank der seriellen Bauweise viele Synergien nutzen, brauchten zum Beispiel nur eine Systemstatik, konnten Wand-, Decken- und Dachelemente kopieren und so unseren Planungsaufwand drastisch reduzieren. Auf der Baustelle sahen wir, wie die Montage mit jeder Wiederholung reibungsloser und schneller vonstatten ging.“ Auch in der Produktion ließen sich die Synergieeffekte dank Automatisierung optimal nutzen. Seit 2019 fertigt man in Soest auf einer WALLTEQ M-120 von WEINMANN, die bei Bedarf auch für Deckenelemente geeignet ist und für die man am neuen Firmenstandort eigens eine Halle gebaut hatte. Das Einblasen der Dämmung übernimmt seit 20 Jahren ein Subunternehmer auf der Baustelle.

Gesucht: Mehr Kapazität und Präzision

Investiert hatte man in die automatisierte Fertigungslinie unter dem Eindruck einer stark anziehenden Nachfrage, die durch die Politik begünstigt wird: „Bei den KITAS hatten wir damals schon einen derart guten Namen, dass wir immer neue Aufträge per Mundpropaganda bekamen. Allein in Ennepetal haben wir bis heute vier KITAs gebaut, zwei weitere sind bereits in Vorbereitung.“ Neben der Kapazitätserhöhung hatte man bei der Automatisierung auch eine Steigerung der Präzision im Blick: „Wir hatten schon immer einen hohen Anspruch an uns und waren auch von Hand schon gut – aber heute sind wir besser“, begründet Rolf Schottmüller. „Und dann sollte man sich darüber im Klaren sein, dass bei einer manuellen Produktion mit steigender Schlagzahl die Präzision sinkt: Wer hohe Stückzahlen fertigt, hat nicht ständig einen Zollstock in der Hand.“ Auch die Personalsituation war ein wichtiges Argument für die Automatisierung. Heute hat man mit einem Mitarbeiter und einem Lehrling einen deutlich schnelleren Workflow als früher mit mehr Manpower und einer manuellen Produktion. „Mit der WALLTEQ M-120 fertigen wir innerhalb einer Woche die Wände für ein Haus. Wobei wir die Erfahrung gemacht haben, dass man an einer solchen Maschine engagierte Mitarbeiter einsetzen muss. Dann lassen sich sogar Stückzahlen erreichen, die noch über den Prognosen von WEINMANN liegen.“ Bei der Suche nach der passenden Technik gab es zum Maschinenbauer in Lonsingen keine wirkliche Alternative: Schon nach einer ersten Einarbeitung in die Materie war WEINMANN für uns weit vorne. Als uns dann noch befreundete Zimmerer aus einem anderen Betrieb zu dieser Technik rieten, war die Entscheidung perfekt.“ Die Zeit danach zeigte, dass sie auch richtig war. Nicht nur, weil die automatisierte Fertigung nach Installation der neuen Technik reibungslos anlief und mit zunehmender Erfahrung immer bessere Ergebnisse brachte: Es zeigte sich auch, dass die Wahl der „kleinen“ WALLTEQ M-120 sehr vorausschauend gewesen war. „Die Maschine ist bei uns sehr gut ausgelastet und reicht bestens für unsere Zwecke, da wir bevorzugt Gebäude mit Holzfassaden produzieren.“

Pläne für die Zukunft 

Sollte die Nachfrage nach WDVS wider Erwarten stark zunehmen, könnte in Soest ein Upgrade auf eine größere WALLTEQ auf der Agenda stehen: „Wenn viel WDVS über 40 mm verarbeitet wird, empfiehlt sich ein zusätzliches Sägeaggregat und damit ein Wechsel auf eine größere Multifunktionsbrücke, zum Beispiel auf die WALLTEQ M-380.“ Vielleicht aber auch das nächste innovative Geschäftsmodell. Zumindest kann sich Geschäftsführer Rolf Schottmüller aus heutiger Sicht für diesen Fall vorstellen, bestehende Kooperationen mit befreundeten Zimmereien auszuweiten: „Dann würden unsere Partner einen Teil der Wände produzieren, während die große Masse nach wie vor über unsere Fertigungslinie läuft. Die Zimmerer könnten uns außerdem in der angespannten Personalsituation bei der Montage entlasten, während wir unsere Aktivitäten noch weiter in Richtung Projektentwicklung, Planung, Generalunternehmer- und Investorentätigkeit entwickeln.“
 

Text: Dr. Joachim Mohr

 

„Wir hatten schon immer einen hohen Anspruch an uns und waren auch von Hand schon gut – aber heute sind wir besser.“

Rolf Schottmüller, Geschäftsführer der Materio GmbH.

Materio GmbH

Die Materio GmbH ist im nordrhein-westfälischen Soest beheimatet und seit den 1990-er Jahren im Holzbau aktiv. Heute beschäftigt das Unternehmen 40 Mitarbeiter und hat seinen Schwerpunkt auf Großprojekte gelegt und tritt hier als Generalunternehmer im gewerblichen und kommunalen Bereich auf. 

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