Das Kerngeschäft von horatec ist die Herstellung von Möbelfertigteilen für das Schreinerhandwerk, die vom Zuschnitt über die Bekantung bis zum Bohren und Fräsen in hoher Qualität produziert werden. Grundbaustein zweier automatisierter Losgröße-1-Linien in Hövelhof ist je eine Robotersäge SAWTEQ B-320 flexTec von HOMAG.
Als Wolfgang Thorwesten vor 25 Jahren horatec gründete, war die Welt der Schreiner noch eine ganz andere. „Es gab deutlich mehr große Betriebe. Und es war klar: Ein Tischler kauft nicht zu, als Handwerker macht er alles selbst“, erzählt der Geschäftsführer. „In den letzten zehn Jahren hat sich das grundlegend verändert. Nicht nur, dass die Mitarbeiterzahl der Betriebe stark gesunken ist, vor allem das Denken ist heute ein anderes.“ Das Thema Fachkräfte sei ein Grund dafür: „Unseren Kunden fällt es schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden.“ Aber auch die zunehmende Materialvielfalt: „Sieht man sich das Spektrum an, gibt es Werkstoffe, die in hoher Qualität nur noch mit speziellen Maschinen und Verfahren bearbeitet werden können.“ Ein Schreiner mit klassischen Maschinen tut sich hier schwer, wenn er nicht in der erforderlichen Höhe investieren kann. Zumal ein dritter Punkt hinzukommt: die Digitalisierung. Die gewaltigen Veränderungen auf diesem Gebiet könne bei Weitem nicht jeder Schreiner mitgehen. „Wir als horatec hingegen konnten uns per Automatisierung einen großen Vorsprung erarbeiten und unsere Prozesse so verschlanken, dass deutliche wirtschaftliche Effekte resultierten“, sagt Thorwesten. Die Veränderungen im Tischlerhandwerk seien so schlussendlich die Ursache für das starke Wachstum seines Betriebes und vergleichbarer Zulieferer.
Generation Schreiner
Den Herausforderungen zum Trotz sieht Thorwesten für das Schreinerhandwerk hervorragende Perspektiven. Freilich müsse manch Tischler genau abwägen, welche Leistungen er künftig selbst ausführt und welche er gegebenenfalls zukauft. Schließlich sind die Produktbereiche heute äußerst komplex. Konnte ein Schreiner vor 30 Jahren noch alles fertigen, muss er sich inzwischen beim Knowhow und den Maschinen oft spezialisieren. „Für viele klassische Schreinereien ist die Investition nicht zu stemmen, um die von uns gelieferte hohe Qualität zu einem ähnlich attraktiven Preis zu erreichen“, ist Thorwesten sicher. Daher gehört heute der Einmannbetrieb ebenso zum Kundenkreis von horatec wie das 20 Mitarbeiter starke Unternehmen. Und während der Einmannbetrieb die Leistungen nicht selten durchgängig nutzt, gleicht der größere vielleicht Auftragsspitzen aus. Hinzu kommen immer wieder auch Betriebe, die sich nicht für anstehende Ersatzinvestitionen entscheiden, sondern ihr Konzept ändern und Teile nun zuliefern lassen.
Das Spektrum bedienen
Vor diesem Hintergrund hat horatec schon früh die Schnittstellen zum Schreiner optimiert. „Mit Planungs- oder Verkaufslösungen etwa“, konkretisiert Thorwesten. „Zum Beispiel bieten wir Plausibilität und Sicherheit bei der Konfiguration eines Schranks, indem wir ihn auf einem hohen Individualitäts- und Qualitätsniveau komplett berechnen und die Verantwortung für die Richtigkeit aller Teile und Beschläge übernehmen. Zugleich kann der Schreiner mit unseren Onlinetools und einer Offline-Planungslösung auch vollständig im Raum planen.“
Grundlage aller horatec-Leistungen ist die gesamte Egger-Kollektion, die inklusive des gesamten Kantenmaterials am Lager ist. Beginnend bei 8er Platten reicht das Sortiment über 19er Korpus- und Frontmaterialien bis hin zu 25er Platten. Auch Sonderstärken wie 22mm oder furnierte Platten in fünf Holzarten sind verfügbar. Und natürlich lackierte Oberflächen. Weil ein Schreiner das ganze Spektrum fordert, erstreckt sich das Sortiment bis hin zu Schubkästen und Beschlägen. „Die Palette, die wir verarbeiten, ist riesig“, schätzt Thorwesten ein. „So bekommt der Schreiner alles aus einer Hand.“
Mannarm fertigen
Horatec ist Losgröße-1-Fertiger – komplett verkettet, komplett vernetzt. „Bei uns liegt die mittlere Stückzahl pro Produktion bei 1,7“, berichtet der Geschäftsführer. „In diesem Kerngeschäft gibt es auch kein Artikeldenken, denn kein Teil wiederholt sich. Jedes bringt seine eigenen Daten für die individuelle Bearbeitung mit.“ Dabei beginnt und endet die Fertigung, wenn man so will, im eigenen Fuhrpark. „Wir fahren fertige Kommissionen zu Egger nach Brilon, von wo unsere Ware auf die Händler im DACH-Raum verteilt wird. Dieser Liefertermin ist auch der Ausgangspunkt für all unsere Planungen. Auf dem Rückweg nehmen wir das Material für unsere hiesigen drei Werke mit. Dann geht die Ware ins Lager und von dort in die Fertigung.“
Während B- und C-Artikel in Block- oder Flächenlagern abgelegt werden, fahren die gängigsten Halbformate direkt in die Produktion. „Ab dem Zeitpunkt, ab dem der Staplerfahrer das Paket ablegt, sind wir im Prinzip mannlos“, betont Thorwesten. Per Portal gelangen die Platten dabei aus einem Flächenlager zum Einzelschnitt auf die Säge. Im Umfeld der Sägen hat horatec pro Fertigungslinie sechs Plätze definiert, wohin Reste automatisch rückgeführt und eingebucht werden. Für nächste Schnitte werden diese Reste stets mit Priorität 1 genutzt. Beim Zuschnitt setzt horatec in jeder Fertigungslinie in Hövelhof parallel je eine Robotersäge SAWTEQ B-320 flexTec und eine halbautomatische HOMAG-Säge ein, z.B. eine SAWTEQ B-300 (bisher: HPP 300) wobei die Robotersäge nahezu den gesamten Zuschnitt übernimmt. Nur Nach- oder Verpackungszuschnitte werden von der halbautomatischen Säge ausgeführt. Nach dem Aufteilen fahren die nun auch etikettierten Teile in einen ersten Sortierpuffer, um von hier in eine Bekantungsmaschine EDGETEQ S-800 (bisher: KFR 610) von HOMAG zu gehen, die mit Umlauf sowie am Ein- und Auslauf mit je einem Roboter arbeitet. Nach der Bekantung laufen die Teile in einen zweiten Sortierpuffer und schließlich in eine Bohrzelle, bestehend aus einem Bearbeitungszentrum CENTATEQ E-500 (bisher: BMG 511) und einer liegenden Durchlaufbohrmaschine DRILLTEQ H-600 (bisher: BHX 500) von HOMAG. „Im Grunde fahren wir vom Plattenlager über die SAWTEQ bis in die Bohrzelle mannlos“, unterstreicht Thorwesten nochmals. „Im besten Fall fasst ein Mitarbeiter ein Teil erst wieder zum Verpacken an.“ Dreischichtig produzierend, wird so mit gerade mal fünf Mitarbeitern und einem Produktionsleiter pro Schicht gefertigt. Gesteuert werden die Prozesse mit eigenentwickelten ERP- und PPS-Systemen sowie einem Fertigungsleitsystem von 3Tec.
Etwas völlig Neues
In der Vergangenheit arbeitete horatec im Zuschnitt mit zwei halbautomatischen HOMAG-Sägen, von denen jede pro Schicht 500 Teile durchsetzte. Betrieben wurden die Sägen in zwei Schichten von vier Mitarbeitern. Nachdem aber die Fertigung in Hövelhof grundlegend in Richtung Automatisierung umgebaut worden war, fehlte auch im Zuschnitt nur noch der Zündfunke: Der kam 2016 dann auf der Hausmesse von HOMAG Plattenaufteiltechnik in Holzbronn. „Ich habe die flexTec gesehen und aus dem Bauch heraus gekauft“, erzählt Thorwesten. „Denn anders als die halbautomatischen Sägen, wo es über Jahre übliche Weiterentwicklungen gab, war die Robotersäge etwas völlig Neues, allein schon wegen der Automatisierung. Zudem besticht die Robotersäge durch Flexibilität – sowohl bei der standardmäßigen Layoutgestaltung der Zuschnittzelle, um den Produktionsverhältnissen angepasst werden zu können, als auch beim Zuschnitt selbst, bei dem die Anzahl der Nachschnitte im Prinzip grenzenlos ist.“ Schnell folgte eine ROI-Rechnung, bei der der Geschäftsführer zwei halbautomatische Sägen mit der flexTec verglich – vor allem mit Blick auf Facharbeitermangel, Facharbeiterkosten und Nachtschichten, die bald starten sollten. „Schon war es entschieden.“
Denken in 1.000er Pools
Heute gibt bei horatec jeder Innendienstmitarbeiter im Verkauf Projekte frei. Danach fließen die Teileeigenschaften, jeweils rund 150 Merkmale, in eine Datenbank ein. Im eigenentwickelten PPS-System sortieren die Produktionsleiter zunächst nach Verladedatum und filtern das Material nun so, dass Teilefamilien gebildet werden, die eine bestimmte Schichtleistung repräsentieren. Nachdem die Posten teilesauber vorliegen, optimiert Ardis die Schnittpläne und übergibt die Fertigungsdaten an das Lager und die Säge. Horatec denkt bei all dem in Pools von 1.000 Teilen, denen alle Informationen mitgegeben werden: Mit dem Verlassen der Plattenaufteilsäge wird jedes Teil im Durchlauf etikettiert, womit der Barcode bearbeitungsführend wird und die komplette Historie gewährleistet ist.
Beim Zuschnitt selbst überzeugt die SAWTEQ B-320 flexTec laut Thorwesten mit den Resultaten. Das zeigt zuvorderst die Verfügbarkeit: 95 + X Prozent beziffert der Geschäftsführer. „Aber auch die Präzision und Qualität sind top“, sagt er. „Meist ist die Genauigkeit zwar für uns nicht so entscheidend, weil wir noch formatieren, mitunter haben wir aber auch Teile, die auf Fertigmaß geschnitten werden. Und hier beweist sich die Präzision der Säge.“ Entscheidendes Kriterium sei für horatec zudem die Leistung, die von HOMAG im Vorfeld kundenspezifisch und transparent simuliert wurde. „Ich habe 1.000 Teile, die ich zuverlässig von einer flexTec schneiden lassen und als einzelne Teile herausbringen kann. Bei einer maximalen Ausbringung, die HOMAG bisher mit 1.500 Teilen pro Schicht angibt, haben wir noch deutlich Reserven, sodass wir eventuelle Produktionsrückstände gut aufholen können“, sagt Thorwesten. Und stellt klar: „Für unsere Belange ist es die beste Maschine, die es gibt.“ Auch aufgrund der gleichmäßigen Ausbringung – ist doch die Fertigung in Hövelhof auf Kontinuität ausgelegt – sowie der konsequenten Vereinzelung, bei der der Roboter die Einzelteile gezielt in Produktionsrichtung bringt.
Griff in die Schublade
Seit mittlerweile 20 Jahren setzen horatec und HOMAG gemeinsam Projekte um. Viele Abläufe haben sich in dieser Zeit eingespielt, wobei die Grundlage stets Standardmaschinen mit gleicher Datenstruktur sind. Aktuell baut etwa ein belgisches Unternehmen in Lizenz von horatec eine neue Fertigungslinie auf. Auch hier kommen eine SAWTEQ B-320 flexTec und eine halbautomatische Plattenaufteilsäge parallel zum Einsatz. „Insofern greifen wir bei HOMAG immer in die gleiche Schublade und bedienen uns der bewährten Technologie“, beschreibt dies Thorwesten. Der Aufbau der Linie wird 2022 im März beginnen. Im September soll die Produktion hochlaufen: komplett verkettet, komplett vernetzt, in Losgröße 1, zugeschnitten per Robotersäge SAWTEQ B-320 flexTec.
Den vollständigen Beitrag finden Sie oben rechts im Downloadbereich und in der HOB 7/21.
„Zudem besticht die Robotersäge durch Flexibilität – sowohl bei der standardmäßigen Layoutgestaltung der Zuschnittzelle, um den Produktionsverhältnissen angepasst werden zu können, als auch beim Zuschnitt selbst, bei dem die Anzahl der Nachschnitte im Prinzip grenzenlos ist.“Wolfgang Thorwesten, horatec GmbH