Der kreative Umgang mit dem Ausgangsmaterial ist fester Bestandteil einer Holzbau-DNA, die der Branche immer wieder neue Baustoffe und -systeme beschert. Angesichts neuer Geschäftsfelder und Marktteilnehmer ist der Anreiz für Neuentwicklungen momentan besonders groß. Man sollte also auf Überraschungen gefasst sein. Eine davon wird erleben, wer das neue Fertigungswerk der in Bad Aibling ansässigen B&O Bau GmbH in Frankfurt/Oder besucht. Nicht nur wegen der von WEINMANN Holzbausystemtechnik gelieferten Ausstattung, die mit einer vollautomatischen Riegelwerkstation, vier Multifunktionsbrücken, einer Einblasbrücke und drei Reihen von Arbeits- und Wendetischen schon für sich sehenswert ist. Überraschend ist vor allem das Produkt, das über die Fertigungslinie läuft. Der Unterschied zeigt sich bereits bei der Riegelwerkstation – laut B&O Bau Entwicklungsleiter Michael Schäpers eines von mehreren Unikaten, die man in den Planungsgesprächen mit WEINMANN entwickelt hat. Mit einem Roboter ausgestattet, verarbeitet die Station Stiele, die in der Nachbarhalle auf einer BEAMTEQ B-660 abgebunden und über ein vollautomatisches Lager zugeführt werden. Außergewöhnlich an diesem Vorgang ist, dass der Roboter dank spezieller Software nicht nur Holzrahmenkonstruktionen legt, sondern auch Stiel an Stiel: Nach dem Ablegen wird der neue Stiel über zwei Wellennagler mit dem vorhergehenden verbunden. So entsteht ein tragfähiges Massivbauteil aus stehendem KVH, dessen Ober- und Untergurt nicht über dem stehenden Holz liegen, sondern als schlanke CLT-Planken an den Bauteilseiten. Regelmäßig wiederkehrende Anschläge in den Gurten sorgen dafür, dass das Bauteil über die gesamte Länge maßhaltig bleibt. Je nach statischer Notwendigkeit können zwischen die stehenden Hölzer tragfähigere Stützen (Stahl, BauBuche) eingebaut werden, Fenster und Türen werden nicht wie bei anderen Massivbausystemen ausgeschnitten, sondern ressourceneffizient durch Stürze überbrückt. Für Michael Schäpers „lässt sich ein durchlaufender, materialeffizienter Produktionsprozess wie etwa in der Automobilindustrie nur so realisieren. Ich spare Bearbeitungszeit, habe keine Zeitverluste und Kosten für die Entsorgung von Resten und muss das Material in den Öffnungen nicht bezahlen.“
Serielle Holzbauweise für 5 bis 8 Geschosse
Die Vermeidung liegender Hölzer im statisch tragenden Wandkern lässt bereits ahnen, dass man bei B&O Bau mit seiner Wandkonstruktion hoch hinauswill. In der Tat hat man in erster Linie den Mehrgeschossbau zwischen fünf und acht Geschossen im Blick. Um genau zu sein, den hochqualitativen und kostengünstigen Mehrgeschossbau in einer (fast) reinen Holzbauweise: Die Nahtstelle zwischen Wänden und Decken wird auf der Baustelle mit einer Art Ringanker aus armiertem Ortbeton versehen. Die hohe Qualität der Holzbauteile erreicht man unter anderem durch hohe maschinelle Präzision und einen zweischaligen Wandaufbau: Im Wechsel produzierte Massivbauteile und Holzrahmenkonstruktionen werden am Ende der ersten Fertigungsphase miteinander kombiniert, wobei die Massivbauteile als tragendes, die Holzrahmenkonstruktionen als dämmendes Element fungieren. Auf dem Weg durch die Fertigungslinie passieren die Bauteile noch weitere Neuentwicklungen, etwa eine WALLTEQ M-300 insuFILL mit einem Reinigungsmechanismus, der nach jedem Element für eine saubere Auflagefläche der Dämmplatte sorgt. Eine weitere Sonderausstattung ist der „Rückspülmechanismus“, der den in den Einblaszuleitungen enthaltenen Restdämmstoff größtenteils in den Speicher zurückführt. So wird der Wiegevorgang präzisiert – der zurückgeführte Dämmstoff wird noch einmal gewogen – und außerdem vereinfacht die „Rückspülung“ den Dämmstoffwechsel, da nur noch in einem kurzen Zuleitungsstück Dämmstoff verbleibt. Je nach Kundenwunsch bläst man in Frankfurt/Oder Zellulose- oder Mineralfaserdämmstoffe ein. Die vier großen Dämmstoffspeicher inklusive Zuführung für die Dämmstoffpakete sind Eigenkonstruktionen von B&O Bau. Am Ende der Elementfertigung findet die „Hochzeit“ beider Elemente auf einem Wendetisch statt. Übereinandergelegt wandern sie auf einem fahrbaren Arbeitstisch zu Linie drei, wo die Verschraubung beider Schalen erfolgt – die modifizierten Schraubaggregate mit 200 mm langen Schrauben sind ein weiteres Unikat in der Linie. Den Abschluss des Fertigungsvorgangs bilden das Anbringen der Fassadendichtbahn, das maschinelle Auflegen und Fixieren der Lattung und Konterlattung durch zwei Multifunktionsbrücken und schließlich die Montage der Fassade.
Deutschlandweiter Komplettanbieter
Ähnlich vielschichtig wie die Wandkonstruktion ist das Unternehmen, das sie entwickelt hat. Seit 30 Jahren in der Sanierung und seit 15 Jahren im Holz- und Holzhybridbau aktiv, gliedert sich die familiengeführte B&O Gruppe heute in die Hauptdivisionen B&O Service und B&O Bau. Während B&O Service für Dienstleistungsbereiche wie die Betreuung von Wohnanlagen inklusive Reparaturen und Pannenservice zuständig ist, agiert B&O Bau als Generalunternehmer schlüsselfertiger Bauprojekte. Als solcher übernimmt das Unternehmen die Realisierung von Neubauten und Aufstockungen, überbaut Parkplätze und führt Sanierungen durch – darunter mit steigender Tendenz serielle Sanierungen, die man als „erheblichen Wachstumsmarkt“ betrachtet. B&O Bau beschäftigt rund 750 Mitarbeiter – davon 350 Handwerker – an Regionalstandorten im gesamten Bundesgebiet. Diese Regionalgesellschaften übernehmen die Kundenakquise und bieten ihrer Klientel aus der Wohnungswirtschaft die Betreuung des gesamten Projekts über einen Ansprechpartner in der Nähe. Für Interessenten, zu denen Wohnbaugesellschaften, Projektentwickler oder Investoren gehören, halten sie ein breites Produktspektrum in unterschiedlichen Qualitätsstufen bereit – zum Portfolio gehören beispielsweise auch Holzparkhäuser aus BauBuche. Geplant werden die Projekte von internen oder externen Planern der Gruppe, die auf die jeweilige Bauaufgabe spezialisiert sind. Die Bauteile für die Realisierung stammen zum einen von externen Partnerbetrieben, deren Holzelemente man auch weiterhin bei entsprechenden Projekten einsetzt. Zum anderen produziert die Gruppe zunehmend an eigenen Standorten, etwa Badmodule in Kroatien, auch eine eigene Deckenfertigung in Bad Aibling ist geplant. Ein Ausbau der eigenen Fertigungskompetenz, der im Kontext eines Paradigmenwechsels hin zum kostenoptimierten Systembau steht. Seit Fertigstellung des Werks in Frankfurt/Oder gehen denn auch alle Projekte in fortgeschrittenem Stadium zusätzlich durch einen Prozess, in dem ihre Kompatibilität zur Systembauweise der Gruppe geprüft wird.
Das neue Bausystem bereichert das Portfolio der Gruppe um ein äußerst interessantes Angebot: „Der Kunde bekommt sein Gebäude viel schneller und günstiger als bei einer anderen Bauweise“, erläutert Michael Schäpers. „Und das in sehr hoher Qualität.“
Ein Baukastensystem für das serielle Bauen
Um dies zu erreichen, ist es mit einem günstigen Wandsystem nicht getan. Möglich wird der Paradigmenwechsel erst durch die Kombination eines minimalen Ressourceneinsatzes und einer automatisierten Fertigung hochstandardisierter Bauteile mit einem weitgehend automatisierten digitalen Prozess, mit dem sich ganze Arbeitsgänge über ein mit Revit und AutoCAD erstelltes BIM-Modell abkürzen lassen. „Anhand der klar definierten Leistungsfähigkeit der in der Wand verbauten Profile kann mir das System zum Beispiel unmittelbar nach Fertigstellung des Entwurfs sagen, welcher Stil in der Wand zu 23 und welcher zu 89 Prozent belastet ist“, erläutert Michael Schäpers. Im Klartext: Ein großer Teil der statischen Eckdaten wird automatisch ausgegeben und muss nur noch über-prüft werden. „Dank unserer Statiktools können wir außer-dem extrem materialeffizient vorgehen, haben in der Wand also keinen Millimeter Holz zu viel.“ Voraussetzung dafür sind ein weitgehend standardisierter Fertigungsbaukasten und eine umfassende digitale Bibliothek, in der alle Bauteile und Details des Bausystems niedergelegt sind – die Mammutaufgabe innerhalb des Projekts, die viel Aufwand und Wissen erforderte. Auf Basis der überwiegend in den Regionalgesellschaften generierten Daten kann die Planungssoftware zum Beispiel auch die thermischen Eigenschaften der gewählten Gebäudehülle berechnen, so dass der Bauphysiker direkt aus der Planung heraus eine bauphysikalische Bewertung ableiten kann. Der durchgängige digitale Prozess umfasst auch Fremdgewerke wie die Elektroinstallation: Wird im 3D-Modell des Entwurfs eine Steckdose eingeplant, wird im Hintergrund automatisch der Stromlaufplan aktualisiert, während im CAD-System eine Bohrung für die Steckdose und eine normgerechte Gipsfaserplatte mit den Kabelführungen angelegt wird. Die Arbeitsvorbereitung wird über derartige Prozesse extrem verkürzt, Schäpers spricht von einer Reduktion um 95 Prozent von etwa 30 auf bis zu zwei Tage pro Gebäude. „Während ein Arbeitsvorbereiter bei einer individuellen Planung jedes Gebäude neu zeichnet, ergibt sich die Elementierung bei uns großenteils aus dem fertigen Entwurf und der Bibliothek“. Das Einsparpotential über das gesamte Projekt ist gewaltig, Michael Schäpers beziffert es mit bis zu 50 Prozent. Dabei ist der Baukasten bei aller Typisierung offen, so dass sich damit sehr individuelle Lösungen umsetzen lassen. Da tragendes System, Dämmebene und Fassade ein mehrschichtiges System bilden, lässt sich etwa der tragende Kern – normalerweise aus 12,5 cm starken Stielen gefertigt – je nach Statik durch größere Querschnitte verstärken. Der Kunde, der das Gebäude vorab im BIM-Modell sieht, kann aus dem Systembaukasten eine andere Fassade, aber auch eine andere Dämmebene wählen. So stehen ihm in der Planung eine ganze Reihe von Wand- und Deckensystemen, Erschließungskernen und bewährten Details zur Verfügung. Diese Flexibilität hat auch andere Vorteile: Sie ermöglicht zum Beispiel die dauerhafte Speicherung von CO2 im massiven Kern eines reversiblen Gebäudes, dessen Fassade nach Ablauf der Standzeit problemlos erneuert und dessen Dämmebene bei höheren Anforderungen jederzeit durch neue Materialien ersetzt werden kann. In der Fertigung hat das Dreischichtmodell den wesentlichen Vorzug, dass Holzrahmenelemente für wohnflächeneffiziente, niedrigere Gebäude – auch hier hält die Gruppe Lösungen bereit – ohne Umrüstungen durch die Anlage laufen. Gleiches gilt für Holzrahmenelemente in der seriellen Sanierung, die momentan das Gros der Aufträge in Frankfurt/Oder ausmacht. Fertigungstechnisch gibt es hier keinen Unterschied zur Dämmebene der Neubauten, auch wenn die planerische Vorbereitung eines Sanierungsprojekts mit einem Bestandsscan, einer 3D-Punktewolke und einem digitalen Modell des Gebäudes aufwändiger ist. Zum Ausgleich von Maßabweichungen packt man das Bestandsgebäude außerdem in eine 30-40 mm starke Dämmschicht ein, die bei der Montage der systemischen Hülle für Passgenauigkeit sorgt.
Für hohe Stückzahlen bestens gerüstet
Im Zusammenspiel mit der Fertigungslinie in Frankfurt/Oder stellt das Baukastensystem auch die Kapazitäten bereit, die für Großprojekte erforderlich sind. B&O Bau gibt die Produktionskapazität seines Werks derzeit mit 25000 m2/a an, doch dürfte bei Einschichtbetrieb und Taktzeiten von 40 Minuten für ein zweischaliges und rund 20 Minuten für ein Holzrahmenelement noch lange nicht das Ende der Fahnenstange in Sicht sein. Michael Schäpers, der eine weitere Taktzeitoptimierung für gut möglich und eine zweite Schicht in absehbarer Zeit für wahrscheinlich hält, sieht in der Anlage unter Volllast Luft für bis zu 200000 m2/a. Zu vermuten ist, dass die Stückzahlen in Frankfurt/Oder angesichts der Kosten-, Zeit- und Qualitätsvorteile des bewährten, pannensichereren Systems zügig steigen dürften. Dies auch deshalb, weil sich bei der Kompatibilitätsprüfung rund 95 Prozent der von B&O Bau durchgeführten Projekte als baukastenkompatibel erweisen. Bei einem Rastermaß von 12,5 cm keine Überraschung, da derartige Maßänderungen bei Großprojekten keine Rolle spielen.
In guter Zusammenarbeit Lösungen gefunden
Mit dem Werk in Frankfurt /Oder ist B&O Bau etwas gelungen, das für Michael Schäpers im Rückblick an ein Wunder grenzt: „Wir haben in rund zwei Jahren ein radikal neues Bausystem und das dazugehörige Fertigungswerk geschaffen.“ Die Idee dafür entstand auf einer Sitzung der Geschäftsführung 2021, als Gesellschafter Dr. Ernst Böhm anregte, den Produktionsprozess künftig in die eigene Hand zu nehmen: „Es war schon damals absehbar, dass die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum nur durch eine umfassende Prozessoptimierung zu bedienen war. Deshalb war klar, dass die Entwicklung im Mehrgeschossbau in Richtung Industrialisierung gehen würde. Wenn wir hier dabei sein wollten, mussten wir eine Vorreiterrolle übernehmen und in Planung und Fertigung neue Akzente setzen.“ Die Entwicklung des neuen Baukastensystems begann für Michael Schäpers, der als Holztechnikingenieur über mehrere Jahre Schwermaschinen konzipiert hatte, mit einem leeren Blatt Papier und Besuchen bei Bauteilproduzenten und Maschinenherstellern – zunächst mit wenig Erfolg. Erst die von WEINMANN angebotene Option, eine Riegelwerkstation mit einem Roboter zu kombinieren führte ihn zur Idee, ein massives Wandelement aus Stielen zu produzieren: „Das kann die Maschine mit hoher Geschwindigkeit. So erreichen wir eine hohe Materialeffizienz bei einem günstigen Rohsortiment, eine extreme Tragfähigkeit und einen Durchlaufprozess, in den über den MES-Produktionsleitstand von granIT alle Maschinen einbezogen sind.“ Bei WEINMANN war man für Neuentwicklungen offen, „und so haben wir uns Punkt für Punkt durch die Anlage durchgehangelt, bis das Maschinenlayout fertig war.“ Dabei nutzte B&O Bau anfangs das Beratungsangebot von SCHULER Consulting, „was für den Einstieg sehr hilfreich war, da wir ja praktisch bei null anfingen. Angesichts unserer sehr spezifischen Wünsche sind wir aber sehr schnell in die Planungen mit den Entwicklungsabteilungen eingetreten und kamen dort zügig zum heutigen Layout. Hier wurde in einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe für jede Aufgabe eine gute Lösung gefunden. Heute gibt es für mich als Holztechnikingenieur nichts, was mich an den Maschinen in unserem Werk nervös macht. Auch in Themen wie präventive Wartung und präventive Aggregatbeobachtung erwies sich WEINMANN als sehr gut aufgestellt.“ Bei der Implementierung der Fertigungsprozesse im neuen Werk ließ man sich Zeit, begann 2022 mit einer Rumpfanlage und viel manueller Arbeit. So konnte man das Personal ausbilden und an das neue Produkt heranführen. Den Schalter für die Inbetriebnahme der seriellen Produktion legte man erst Anfang dieses Jahres um. „Zweieinhalb Monate nach Inbetriebnahme erreichen wir in allen Bereichen solide 90 bis 95 Prozent, und der Zieltakt wird bereits deutlich unterboten. „Das heißt, wir können eine tragende Wand, die in einer konventionellen Linie allein schon einer 40-minütigen Fräsbearbeitung unterliegen würde und in einem handwerklichen Umfeld 4 bis 6 Stunden braucht, jetzt schon in 15 Minuten fertigen. Da kann jeder Beteiligte stolz sein.“
„Hier wurde in einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe für jede Aufgabe eine gute Lösung gefunden. Heute gibt es für mich als Holztechnikingenieur nichts, was mich an den Maschinen in unserem Werk nervös macht.“Michael Schäpers, Entwicklungsleiter B&O Bau GmbH
B&O Gruppe
Seit 30 Jahren in der Sanierung und seit 15 Jahren im Holz- und Holzhybridbau aktiv, gliedert sich die familiengeführte B&O Gruppe heute in die Hauptdivisionen B&O Service und B&O Bau.
Während B&O Service für Dienstleistungsbereiche wie die Betreuung von Wohnanlagen inklusive Reparaturen und Pannenservice zuständig ist, agiert B&O Bau als Generalunternehmer schlüsselfertiger Bauprojekte. Als solcher übernimmt das Unternehmen die Realisierung von Neubauten und Aufstockungen, überbaut Parkplätze und führt Sanierungen durch – darunter mit steigender Tendenz serielle Sanierungen, die man als „erheblichen Wachstumsmarkt“ betrachtet. B&O Bau beschäftigt rund 750 Mitarbeiter – davon 350 Handwerker – an Regionalstandorten im gesamten Bundesgebiet.