Der Holzbau erlebt derzeit einen Umbruch, in dem manche Beobachter bereits den Beginn einer Disruption sehen. Dazu gehören Verschiebungen auf dem Markt, die eine Erschließung zusätzlicher Geschäftsfelder nahelegen, und neue Anbieter, Investoren und StartUps mit innovativen Ideen, Technologien und Herangehensweisen. Andererseits stehen die Zeichen für den Baustoff Holz in Zeiten des Klimawandels nach wie vor auf Wachstum. Wer also gut aufgestellt ist, hat auch künftig gute Chancen, allgemeine Rückgänge im Baubereich über wachsende Holz-Marktanteile zu kompensieren.
Fokus auf dem Objektbau
Gut aufgestellt zu sein heißt für die SYNdikat Zimmerei AG im schwäbischen Reutlingen zum einen, dass man seine Geschäftsfelder schon vor Jahren diversifiziert hat. Dabei lief die Entwicklung weg vom Marktsegment der Einfamilienhäuser, das heute zwar noch bedient wird, aber eine untergeordnete Rolle spielt. Getrieben wurde dieser Prozess von einem chronischen Bauplatzmangel, den die Region Reutlingen/Tübingen einer hohen Besiedelungsdichte verdankt. Der Fokus der Zimmerei liegt heute auf größeren Objekten. Zentrale Geschäftsfelder sind der mehrgeschossige Wohnbau, öffentliche Projekte wie Schulen, Kindergärten und Universitätsgebäude, gelegentlich kommen auch Gewerbeobjekte hinzu, die man aber nicht aktiv bewirbt. Die Auftraggeber sind Architekten, Bauträger, Wohnungsbaugesellschaften und Baugruppen, viele Aufträge kommen über öffentliche Ausschreibungen, an denen die Zimmerei regelmäßig teilnimmt. Bei ihren Projekten übernimmt sie je nach Auftragskonstellation einzelne Leistungen, den Rohbau oder als GU das komplette, schlüsselfertige Gebäude. Zu den Highlights im abwechslungsreichen Neubau-Portfolio gehört zum Beispiel eine runde Schulmensa, deren Fassade – Platten in edler Holzoptik – die Zimmerei geliefert und montiert hat. Sehenswert ist auch ein achtgeschossiges, in Reutlingen errichtetes Studentenwohnheim mit 185 Wohnungen für Studierende – ein Stahlbeton-Holz-Hybridbau, dessen Holzrahmen-Außenwände von SYNdikat stammen. In Gönningen hat das Unternehmen kürzlich für einen Bauträger acht moderne Doppelhaushälften in Holzrahmenbauweise mit Putzfassade erstellt, in Ludwigsburg zwei Viergeschosser mit 38 Wohneinheiten für eine Wohnbaugesellschaft – ebenfalls ein Holzrahmengebäude, hier mit Holzleistenfassade. Ein ganz besonderes Projekt ist der langgestreckte Neubau, in dem die Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim untergebracht ist. Hier lag der Fokus auf einer nachhaltigen Bauweise, weshalb die Wahl auf den Baustoff Holz fiel. Betonbauteile in den Kernbereichen und der Aufbeton der Geschossdecke bestehen aus Recyclingbeton, der Heizbedarf des Passivgebäudes wird durch die Be- und Entlüftung gedeckt. Photovoltaikelemente decken den Restenergiebedarf, die Flachdächer sind extensiv begrünt. Auf der Website der Zimmerei finden sich außerdem anspruchsvolle Einfamilienhäuser mit hohem Energiestandard. Die Liste der Vorzeigeprojekte ist lang und architektonisch hochwertig, da man meist mit renommierten Architekten zusammenarbeitet. Dabei stößt die Zimmerei allerding oft erst zu einem späten Zeitpunkt zum Projektteam, und das hat dann den Nachteil, dass man auf die Planung keinen Einfluss mehr nehmen kann. So zum Beispiel bei einer dreigeschossigen Aufstockung in Stuttgart, die Gesellschafter Andres Lächele gerne als Holzrahmenkonstruktion ausgeführt hätte: „Da der Brandschutz zum Zeitpunkt der Auftragserteilung aber schon geregelt war, stand bereits Brettsperrholz im Bauantrag.“ Andres Lächele ist einer von drei Gesellschaftern im Unternehmen, das 1993 – damals noch mit sieben Gesellschaftern – als Kollektiv gegründet worden war. Derzeit produziert es eine Holzrahmen-Gewerbehalle mit 1200 m2 für einen Ladenbauer, der die Zimmerei von sich aus kontaktiert hat. Etwa die Hälfte seiner rund 35 Mitarbeiter setzt das SYNdikat im Geschäftsfeld Sanierung ein. Ein Bereich, der deutlich weniger zum Jahresumsatz von 6,5 Mio. Euro beiträgt als der Neubau, der aber zur breiten Aufstellung des Unternehmens beiträgt. Dank der Förderung der seriellen Sanierung könnte er außerdem interessante Perspektiven für die Zukunft bieten – gerade in Verbindung mit zahlungskräftigen Wohnungsbaugesellschaften, mit denen man in Reutlingen bestens vernetzt ist.
Technisch fit für die Zukunft
Sollte man in diesen Geschäftszweig einsteigen, ist man in Reutlingen technisch darauf vorbereitet – der zweite Aspekt einer zukunftsorientierten Unternehmensaufstellung: Im Oktober 2021 hat man den 2016 angeschafften WEINMANN-Selbstbautisch durch einen BUILDTEQ A-530 Aufstelltisch und eine WALLTEQ M-120 Multifunktionsbrücke ergänzt und so die Kapazität geschaffen, mit der sich der hohe Elementbedarf bei Großprojekten und seriellen Sanierungen bedienen lässt. Parallel dazu hat das SYNdikat auch in der Arbeitsvorbereitung durch eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl die Voraussetzungen für einen hohen Vorfertigungsgrad bei kurzen Taktzeiten geschaffen. „Was nicht ganz einfach war. Wir haben hier lange keine neuen Mitarbeiter gefunden.“ Dank dieser Investitionen produziert man in Reutlingen heute deutlich schneller als zuvor. „Wir sind sogar deutlich schneller, als ich es selbst je erwartet hätte“, führt Gesellschafter Andres Lächele weiter aus. Für ihn ist die Geschwindigkeit in der Fertigung aber nur eine Seite der Medaille: „Eigentlich hatten wir bei der Investition vor allem die höhere Präzision durch Automatisierung im Blick.“ Und eigentlich hatte man diese Ziele anfangs mit einem Plattenbearbeitungszentrum erreichen wollen. Allerdings ließ sich schnell erkennen, dass der finanzielle Schritt von hier zu einer Multifunktionsbrücke mit Arbeitstisch eher klein, der zusätzliche Nutzen durch die Automatisierung und Präzisierung zusätzlicher Arbeitsschritte aber umso größer war. Man entschied sich also für die Brücke, stieg dabei allerdings auf Anraten von WEINMANN mit einer kleinen Lösung ein. Dies, um die Mitarbeiter am Tisch und in der AV für den Anfang nicht mit zu komplexen Arbeitsgängen zu überfordern. Das Ergebnis bestätigt beide Entscheidungen im Nachhinein. Der Übergang war zwar von Anfängerfehlern geprägt, lief aber dennoch naht- und problemlos. Und er brachte eine neue industrielle Präzision auf breiter Linie – etwa bei den Nagelreihen auf der Beplankung, „wo bei manueller Fertigung eben doch immer wieder einzelne Nägel neben dem Stiel lagen“.
Automatisierung senkt Kosten
Die schnellere Taktung bei der Produktion erhöht nicht nur die Fertigungskapazität des Unternehmens, sie führt auch zu Kosteneinsparungen. Dies insbesondere dann, wenn über serielle Effekte zusätzliche Kostensenkungspotentiale in der AV genutzt werden können, etwa bei den Doppelhaushälften oder bei den beiden nahezu identischen Gebäuden in Ludwigsburg. „Hier konnten wir viele gleiche und ähnliche Bauteile einfach duplizieren“, erinnert sich Andres Lächele. „In Ludwigsburg waren sogar ganze Geschosse praktisch gleich. So ließ sich der Aufwand in der AV deutlich reduzieren und auch in der Produktion schlagen bei einem solchen Projekt die Synergieeffekte voll durch. Da haben wir heute deutliche Kostenvorteile.“ Ein willkommener Zusatznutzen entsteht dadurch, dass man die Fertigungsanlage nicht nur für Holzrahmen- und Dachelemente einsetzen kann. So liefen bei dem Projekt in Ludwigsburg die Dreischichtplatten für 24 Balkone über die Fräse, und auch die CLT-Schotten zwischen den Brandabschnitten wurden auf der Anlage umfräst, mit Gipsfaserplatten beplankt und anschließend genagelt. Komplexe Rippen für das Dach einer Radstation in Tübingen fräste ebenfalls die WALLTEQ M-120 in Form. Das macht die Anlage noch rentabler, zumal sie von ihrer Montage im Oktober 2021 bis zum Oktober 2022 ohne Pause lief. Seither spürt man auch in Reutlingen die Auswirkungen einer stockenden Konjunktur. Es gibt Lücken im Auftragsbuch, das komfortable Auftragspolster ist aufgebraucht, die neue Fertigungsanlage steht auch mal für zwei Wochen still. „Auch Bauträger und die öffentliche Hand tun sich eben schwer, wenn die Baupreise eskalieren.“
Optimistischer Blick nach vorn
Das ist jetzt alles nicht existenzbedrohend, zumal das Geschäft gerade wieder anzieht, weil die Wirtschaftsstruktur im Ballungsraum Stuttgart ausgesprochen robust ist. Andres Lächele geht außerdem davon aus, dass im Bereich der Mehrgeschosser künftig immer mehr gehen wird – nicht nur bei Hybridkonstuktionen, sondern auch bei Holzgebäuden mit Brettsperrholz- oder Baubuche-Tragwerk. Er ist vor diesem Hintergrund optimistisch, dass die Baukonjunktur weiter anspringen wird: „Der Bedarf an Wohnungen ist ja riesig, und alle Pfeile zeigen in Richtung Holzbau, der sich dank kurzen Bauzeiten, Nachhaltigkeit und kleinem CO2-Abdruck wachsende Marktanteile sichern wird. Wir müssen uns da keine Sorgen machen, zumal auch der Marktanteil bei den Sanierungen in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gestiegen ist und die Förderung der seriellen Sanierung den Holzbau zusätzlich stärkt.“ Dazu passend kamen in Reutlingen gerade zwei größere Aufträge herein – für ein Schulgebäude in Tübingen und einen Kindergarten in Reutlingen. Vor diesem Hintergrund fasst das Gesellschafter-Trio des SYNdikats allmählich die nächsten Entwicklungsschritte für sein Unternehmen ins Auge. Zunächst steht dabei der Umbau eines Hallenteils an, der zur Zeit als Lager genutzt wird. Hier soll eine Finishstation inklusive Fenstereinbau entstehen. Die Umnutzung setzt den Einbau eines zusätzlichen Hallenkrans und den Bau einer neuen Lagerhalle voraus. Alles in allem eine etwas knifflige Aufgabe, hat man doch die Möglichkeiten des Firmengrundstücks weitgehend ausgeschöpft. In einem zweiten Schritt könnte man sich in Reutlingen einen Wendetisch vorstellen. Parallel stünde dann die Investition in eine neue Multifuktionsbrücke auf dem Plan, „die mehr kann, weil sie mit einer Säge und mit mehr Aggregatträgern ausgestattet ist. Zuerst muss die Hallenstruktur geklärt sein, und dann werden wir Schritt für Schritt weitergehen.“ Etwas Lagerkapazität hätte man in Reutlingen noch in einer zweiten Halle. Dort befindet sich der Abbund, und da er aus einer Handkappsäge mit elektronischem Längenanschlag und Verschnittoptimierung besteht, gibt es in dieser Halle noch Platz. Eine neue Abbundanlage ist nicht geplant: „Da wir für Holzrahmen- und Flachdachelemente nur rechtwinklig gekappte Stiele brauchen, sind wir so bestens aufgestellt. Komplexere Geometrien beziehen wir vom Abbundzentrum, und da bin ich oft froh, dass wir diese nicht selbst produzieren. So wie das Preisgefüge für Abbund in unserer Region ist, ist an solchen Aufträgen oft nicht viel verdient.“
„Wir sind deutlich schneller als ich es selbst je erwartet hätte.“Andres Lächele, Geschäftsführer SYNdikat AG
SYNdikat AG
Die SYNdikat AG mit Sitz in Reutlingen wurde 1990 von insgesamt sieben freiberuflichen Schreinern gegründet und hat sich seither zu einem der führenden Holzbaubetriebe in der Region entwickelt mit aktuell ca. 50 Mitarbeitern. Die SYNdikat AG ist ein Komplettanbieter mit einem sehr umfangreichen Portfolio an Produkten und Dienstleistungen. Dazu gehört der klassische Wohnungs -und Gewerbebau in Holzrahmenbauweise, Renovierung und Restaurierung sowie das Installieren von Solar- und Fotovoltaikanlagen. Das Unternehmen legt sehr viel Wert auf das Thema Nachhaltigkeit und verwendet daher ausschließlich Materialien aus nachhaltigen Quellen.
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